Augenzeugenberichte
Die Flak-Scheinwerferstellung Wendlohe im Jahre
1944
Die Flak-Scheinwerferstellung Wendlohe im
Jahre 1944.

Luftgau XI - 3. Flakscheinwerfer Abt. 368
Auf dem Gelände des Gut Wendlohe, im Hamburger
Stadtteil Schnelsen (auf dem heutigen Golfplatz-Gelände), befand
sich 1944 eine Flak-Scheinwerferstellung der Flakscheinwerferbatterie
3./ Abteilung 368. Die Besatzung dieser Schweinwerferstellung wurde
am 1. April 1944 durch Luftwaffenhelfer abgelöst. Das bedeutete,
dass die meisten der Flaksoldaten im Zuge des „totalen Krieges“,
der vom Reichspropagandaminister Goebbels propagiert worden war,
in den schon fast verlorenen Krieg nach Russland geschickt wurden.
Um den Betrieb an der „Heimatfront“ aufrecht erhalten
zu können, wurden die Schüler der höheren Schulen
in Hamburg in einem „Crashkurs“ zu „Luftwaffenhelfern“
in die Flakkasernen eingezogen. Dort wurden die Schüler in
vierteljährigen Ausbildungslehrgängen mit militärischem
Drill an den Flakgeschützen oder wie hier am Flakscheinwerfer
ausgebildet. Die Luftwaffenhelfer, die in die Stellung Wendlohe
kamen wurden in der Flakkaserne Sinstorf (hinter Harburg) von Januar
bis Ende März 1944 für ihre Aufgaben ausgebildet.



Schüler der Schule Telemannstraße aus
Hamburg-Eimsbüttel wurden als Luftwaffenhelfer ausgebildet
und auf der Flakscheinwerfer Stellung Wendlohe von April 1944 bis
Herbst 1944 eingesetzt.
Am 1. April 1944 bezogen also die Luftwaffenhelfer des Luftgau XI
3./ Abteilung 368 die Stellung auf der Wendlohe, und waren sofort
mit den restlichen verbliebenen älteren Obergefreiten und den
3 Unteroffizieren verantwortlich für den Einsatz an den Geräten
und dem großen 200 cm Scheinwerfer. Das bedeutete nun für
die Schüler-Luftwaffensoldaten fast jede Nacht Alarm, wenn
die britischen Bomberverbände Hamburg angriffen; das war im
Jahr 1944 fast täglich der Fall. Der Einsatz bestand darin,
die feindlichen Bomber im Scheinwerfer-Lichtkegel zu erfassen, um
den Flakbatterien die im Umkreis der Stadt in Stellung waren, ein
deutliches Ziel zu bieten, um sie dann abzuschließen.

Die eigentliche Scheinwerfer-Stellung mit dem 200cm
Scheinwerfer, mit einer Leuchtweite von 10km und 700 Meter Streuweite
des Lichtkegels.
Die Luftwaffenhelfer waren ja nun aber auch Schüler
und so wurden die Lehrer dieser Schüler in die Stellungen der
Luftwaffenhelfer abkommandiert. Das bedeutete für die Lehrer
auch ein völlig neues Berufsbild, denn sie mussten jeden Tag
in die Stellung fahren um die Schüler dort mit dem Lehrstoff
zu unterrichten. Unser Lehrer, Herr Engelbrecht, wohnte damals in
der Eppendorfer Landstraße und fuhr nun täglich mit der
Straßenbahn Linie 22 bis Schnelsen Endhaltestelle und dann
zu Fuß (!) in die Stellung Wendlohe. Das war also auch für
den Lehrer der "Totale Krieg". Der Unterricht wurde also
in der Wohnunterkunft der Luftwaffenhelfer, einer Baracke, abgehalten.

Wohnbaracke der Lufwaffenhelfer
Wenn Luftalarm war musste der Unterricht unterbrochen
werden und die Luftwaffenhelfer rannten mit Stahlhelm und Gasmaske
an die Geräte zum Einsatz. Für uns als Scheinwerferbesatzung
stellte sich das aber am Tage so dar, dass man zwar an den Geräten
war, aber da Wendlohe keine Geschützbatterien mehr hatte, diese
waren im Januar 1944 abgezogen worden, beschränkte sich der
Tageseinsatz auf die Beobachtung des Luftraums und Meldung von Besonderheiten
an die Befehlsstellen. Die Nachteinsätze erforderten aber den
vollen Einsatz der Kameraden; stundenlange Einsätze erforderten
höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Dazu kam der Donner
der Geschützbatterien in und um Hamburg, das Motorengeräusch
der feindlichen Bomber und das Krachen der Bombenteppiche, die Hamburg
in Schutt und Asche legten. Schlafmangel und stundenlanges Ausharren
an den Geräten waren für uns Jungen nicht leicht zu ertragen
und am nächsten Tag war ja wieder Unterricht; dabei schliefen
wir auch regelmäßig ein, was unser Lehrer mit einiger
Nachsicht zur Kenntnis nahm, es war eben der totale Krieg.

Flugabwehr-Maschinengewehr MG15 zur Abwehr von Tieffliegern.
Es gibt aber auch schöne Erinnerungen an die
Zeit in der Stellung Wendlohe zu berichten, die Jungen haben in
der schweren Zeit damals nie den Mut sinken lassen und haben auch
auf Grund ihrer Erziehung das als Pflicht empfunden. Ihre Väter
waren in den meisten Fällen selber im Krieg oder in den Rüstungsbetrieben
in vollem Kriegseinsatz. Wir haben das Beste aus der Situation gemacht.
In der Stellung Wendlohe gab es z. B. keinen Wasseranschluss! Wir
mussten das Wasser mit einem selbstgebauten 2-räderigen Karren
mit Stahlrädern, auf dem ein ca. 100 Literfass lag, vom Gut
Wendlohe herankarren!! Zu diesem Dienst wurden jeweils täglich
2 Kameraden abgeordnet. Es war immerhin auf dem Feldweg, der zum
Gut führte, kein reines Vergnügen mit der Karre, deren
Deichsel aus einem dünnen Birkenstamm bestand. Ich glaube,
einer meiner Kameraden hat noch ein Foto von diesem seltsamen Gefährt.
Die Luftwaffe war nicht in der Lage eine Pumpe oder einen Brunnen
bei Einrichtung der Stellung Wendlohe zu ermöglichen.

Wassertransport mit einem Handkarren.
Ebenso die sanitären Einrichtungen: Sie bestanden
aus einem Toilettenhäuschen auf der Wiese, dieses Klo wurde
von der gesamten Besatzung der Stellung Wendlohe benutzt. War die
Grube über der das Klo sich befand „voll“, wurde
nebenan eine neue Grube gegraben, das Häuschen drüber
gesetzt und so ging es eben weiter, die alte Grube wurde zugeschüttet,
Grassoden drüber und fertig. (Da das Gras davon natürlich
gut gedüngt wurde, wuchs das Gras hervorragend nach, es war
nicht zu übersehen, wo die vorige Grube war.
Ein Ereignis ist mir in besonderer Erinnerung geblieben: Im Herbst
1944 (das genaue Datum ist mir nicht mehr bekannt) wurde ein britischer
Bomber (Typ Mosquito) von einer benachbarten Geschützbatterie
abgeschossen. Im Scheinwerferkegel der Stellung Wendlohe wurde dieser
Abschuss erfasst und es wurde beobachtet, dass ein Besatzungsmitglied
des Bombers mit dem Fallschirm absprang. Mit dem Lichtkegel unseres
Scheinwerfers wurde der Pilot bis zu seiner Landung, die in der
Nähe der Stellung Wendlohe lag, verfolgt. Zwei Soldaten unserer
Stellung bewaffneten sich und liefen zu der Stelle, wo der Pilot
heruntergekommen war, und nahmen ihn gefangen. Der Gefangene war
durch das grelle Licht des Scheinwerfers geblendet, so dass er völlig
orientierungslos war und auch keinen Widerstand leistete. Der Gefangene
wurde in die Batteriebefehlsstelle nach Bönningstedt gebracht,
wo er von da aus nach Vernehmung in ein Gefangenenlager überstellt
wurde.
Im Spätherbst 1944 wurden die Luftwaffenhelfer
durch junge Frauen, auch "Luftwaffenhelferinnen" abgelöst,
die sicher auch in Kurzlehrgängen ausgebildet worden waren,
weil wir in eine Geschützbatterie auf dem Kempelberg versetzt
wurden. Die Stellung Kempelberg lag oberhalb von Bahrenfeld, da
befindet sich heute das DESY, (Deutsches Electronen Synchroton)
eine physikalische Forschungseinrichtung. Was allerdings nach der
Ablösung userer Truppe in Wendlohe weiterhin geschah, ist mir
nicht bekannt.
Zur Flak-Scheinwerferstellung Wendlohe gehörten 1944
folgende technische Ausrüstungen und Gebäude:
1. Baracke für den Zugführer 2. Baracke
der aktiven Soldaten mit Telefonvermittlung 3. Baracke für
den Maschinensatz 4. Baracke für die Küche 5. Der Kommandostand
6. Die Scheinwerferstellung 7. Baracke für die Luftwaffenhelfer
8. Baracke für die "Horcher" 9. Die Stellung des
Horchgerätes 10. Die "Hutzenlaub"- Umwertung mit
Waschraum 11. Das WC-Häuschen 12. Baracke für Material.
13. Der Beobachtungsturm 14. Ein kleiner Erdbunker 15. Ein kleiner
roter Klinkerbau, das Haus diente bis Januar 1944 als Feuerleitstelle
für die noch vorhandenen Flakgeschütze.
Außer der Flak-Scheinwerferstellung Wendlohe befanden
sich in unmittelbarer Nähe, im nördlichen Bereich von
Hamburg, folgende Stellungen:
Eidelstedt: 1 Flakstellung,
"Doppelbatterie" im Bereich Muldenweg-Furchenacker-Rebenacker.
3 Flakscheinwerferstellung an den Straßen,
Dallbregen, Wiebischenkamp und Dörpsweg. Egenbüttel:
1 Flakstellung, mit 2 Batterien im Bereich südlich
vom Moorkampsweg-Heidkoppel-Schulweg. Egenbüttel: 1
Flakscheinwerferstellung im Bereich südlich zwischen
Röpenkampsweg und Peter-Timm-Straße, westlich der AKN-Gleise.
Bönningstedt: Befehlsstandort am Rotdornweg
(bis ca. 1941 eine Flakstellung) 1 Flakscheinwerferstellung
an der Kieler Straße auf den Wiesen hinter der Haus Nr.77.
1 Flakscheinwerferstellung an der Straße
Am Hagen, südlich dieser Stellung ein Scheinflughafen mit Attrappen-Flugzeugen.
Niendorf: 1 Flakscheinwerferstellung am Sethweg Ecke Harzburger
Weg. Garstedt: 1 Flakstellung im Dreieck, Ohe Chaussee-Rugenbarg-Aspelohe.
1 Flakscheinwerferstellung auf dem Speckenkamp in der Nähe
der Ohe Chaussee. 1 Flakscheinwerferstellung Friedrichsgaber
Weg Nr. 3.
Dieser Bericht wurde mit der Unterstützung
der ehemaligen Schüler der Schule Telemann Straße in
Hamburg-Eimsbüttel aus der Erinnerung niedergeschrieben, welche
als Luftwaffenhelfer in Schnelsen eingesetzt waren. Veröffentlichung
mit der Genehmigung der Verfasser.
Zahlreiche Ergänzungen wurden vom Schnelsen Archiv hinzugefügt.
Hamburg, den 26.06. 2013
(c) Schnelsen Archiv
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